Der Anteil erneuerbarer Energien im Schweizer Stromnetz wächst. Doch das birgt Herausforderungen für die Ladeinfrastruktur: Solar- und Windstrom sind wetterabhängig und liefern nicht immer dann Strom, wenn er benötigt wird.
Das zukünftige Stromsystem ist deshalb auf flexible Verbraucher angewiesen, die den Zeitpunkt und die Leistung ihres Strombedarfs an das vorhandene Angebot anpassen. Ebenso wichtig sind Speicher, die überschüssigen Strom zwischenspeichern können. Elektroautos sind beides in einem – vorausgesetzt, sie werden intelligent geladen.
Elektroautos: Flexible Verbraucher und Speicher in einem
Elektroautos stehen – wie alle Autos – durchschnittlich mehr als 95% der Zeit: nachts zu Hause, tagsüber zu Hause oder am Arbeitsplatz. Das macht sie zu besonders flexiblen Stromverbrauchern: Die Batterie muss nicht täglich voll sein, und sowohl der Zeitpunkt als auch die Geschwindigkeit der Ladung lassen sich intelligent steuern.
Hinzu kommt das Potential ihrer grossen Batterien: Sie können nicht nur flexibel Strom aufnehmen, sondern zukünftig sogar Energie ins Stromnetz zurückspeisen – genau dann, wenn sie gebraucht wird.
Die Broschüre in Kürze
Die Broschüre bietet einen kompakten Überblick über alle relevanten Aspekte des intelligenten Ladens: technische Grundlagen, Hintergrundwissen sowie konkrete, umsetzbare Praxistipps. Zentrale Themen sind:
Geringere Investitionskosten
Ein intelligentes Ladesystem nutzt die vorhandene Anschlussleistung optimal aus. E-Autos werden nur dann geladen, wenn ausreichend Kapazität verfügbar ist. Dadurch kann ein kostspieliger Ausbau des Anschlusses vermieden werden. Gleichzeitig lassen sich mit derselben Leistung mehr Ladestationen betreiben.
Mehr Rendite auf der Photovoltaik-Anlage
Direktes Laden von E-Fahrzeugen mit Solarstrom steigert die Wirtschaftlichkeit einer Photovoltaik-Anlage. Statt Strom ins Netz zu verkaufen, wird er selbst genutzt. Das erhöht den Eigenverbrauch und die Erträge.
Niedrigere Ladekosten
Mit dynamischen Stromtarifen (tages- oder stundenabhängig) lässt sich das Laden auf die günstigsten Zeiten legen.
Faire, schnelle Ladung aller Elektroautos
Intelligente Ladesysteme verteilen die verfügbare Leistung gleichmässig auf alle angeschlossenen Fahrzeuge. Kein Fahrzeug wird bevorzugt oder benachteiligt – es sei denn, eine Priorisierung wird gewünscht.
Bidirektionale Elektroautos fungieren auch als Speicher
Mit bidirektionalem Laden können Elektroautos nicht nur laden, sondern den Strom auch wieder abgeben: nachts oder während Lastspitzen. So kann tagsüber Solarenergie zwischengespeichert und später genutzt werden.
Energieeffizienz steigern
Bei der Ladung von Elektroautos entstehen Ladeverluste (bis zu 300W/h), da verschiedene Steuerungsgeräte im Auto Strom benötigen. Diese Verluste fallen bei höheren Ladeleistungen geringer aus, da der Ladevorgang kürzer dauert.
System- und netzdienlich laden
Die Steuerung von Ladevorgängen kann nicht nur innerhalb eines Gebäudes, sondern auch auf lokaler und nationaler Ebene optimiert werden. Intelligentes Laden unterstützt damit eine kostengünstigere, zuverlässigere und klimafreundlichere Stromversorgung für alle.
Ladevorgänge können mit einem Last- oder Energiemanagement intelligent gesteuert werden. Je mehr Informationen zur Nachfrage und zum Angebot an Energie ein Last- oder Energiemanagement nutzen kann, desto besser und flexibler kann es die Ladevorgänge optimieren.
Statisches Lastmanagement
Ein Lastmanagement vergleicht das aktuelle Angebot an Energie mit dem pauschalen Ladebedarf, respektive der Nachfrage der Elektroautos. Reicht die momentan verfügbare Energie nicht aus, um den gesamten Ladebedarf zu decken, steuert das Lastmanagement die einzelnen Ladevorgänge.
Dynamisches Energiemanagement
Davon spricht man, wenn zusätzlich zum Ladebedarf auch die übergeordneten Energieflüsse im Gebäude oder im externen Stromnetz berücksichtigt, sowie andere Verbraucher gesteuert werden.
Bedarfsgerechtes Energiemanagement
Bedarfsgerechte Systeme kennen den effektiven Energiebedarf des E-Autos und können Ladevorgänge in einen fixen, minimalen Ladebedarf und eine optionale, maximale Ladekapazität aufteilen. Dadurch lassen sich Ladevorgänge flexibel und effizient planen und Netz- sowie Energieflüsse können besser gesteuert werden.
Bidirektionales Energiemanagement
Bidirektionale Systeme ermöglichen es, die Laderichtung zu steuern. Dazu analysieren sie laufend Daten – etwa den Ladezustand des Fahrzeugs, die geplante Abfahrtszeit, den Stromverbrauch im Gebäude, die aktuelle Stromproduktion (z.B. durch eine PV-Anlage) sowie externe Faktoren wie Strompreise oder Netzlast. Auf dieser Grundlage wird das E-Auto geladen oder speist Energie ins Gebäude oder Stromnetz zurück.
Die Wahl des passenden Last- oder Energiemanagementsystems richtet sich stets nach den Bedürfnissen und Prioritäten der Nutzerinnen, Nutzer und der Eigentümerschaft. Hier ein Auszug aus den Vor- und Nachteilen der Systeme:
Statisches Lastmanagement
Vorteil: Das statische Lastmanagement ist die einfachste und günstigste Form eines Lastmanagements.
Nachteil: Die steuerbare Ladeleistung ist sehr gering und es kann nur ein Bruchteil der Flexibilität genutzt werden.
Dynamisches Energiemanagement
Vorteil: Ein dynamisches Energiemanagement nutzt die verfügbare Leistung des Hausanschlusses und die aktuelle Solarproduktion optimal aus. Damit bietet es deutlich mehr Flexibilität und Effizienz im Energieeinsatz.
Nachteil: Statische und dynamische Last- oder Energiemanagementsysteme verfolgen das Ziel, E-Autos möglichst schnell zu laden, sobald sie an die Ladestation angeschlossen sind. Einmal vollgeladen, kann das E-Auto nicht mehr aktiv ins Lastmanagement eingebunden werden – die Flexibilität, den Ladevorgang intelligent zu steuern, geht verloren.
Bedarfsgerechtes Energiemanagement
Vorteil: Ein bedarfsgerechtes Energiemanagement lädt das E-Auto nur dann voll, wenn dazu Anreize oder Vorgaben bestehen. Es braucht also nur so viel Energie wie nötig oder sinnvoll und schont damit das Stromnetz.
Nachteil: Ein bedarfsgerechtes Energiemanagement ist auf Informationen von Nutzerinnen und Nutzer oder von externen Quellen angewiesen. Die Technik ist dadurch komplexer und die Kosten höher.
Bidirektionales Energiemanagement
Vorteil: Ein bidirektionales Energiemanagement ermöglicht es, das E-Auto gezielt dann zu laden, wenn die Strompreise niedrig sind. Bei hohen Preisen kann überschüssige Energie, etwa aus der eigenen PV-Anlage, über die Fahrzeugbatterie wieder ins Netz eingespeist werden. So lassen sich Energiekosten senken und zusätzliche Erträge erzielen.
Nachteil: Für bidirektionales Laden sind geeignete Fahrzeuge und Ladestationen erforderlich, die technisch kompatibel sind. Derzeit sind nur wenige marktreife Systeme verfügbar, und die regulatorischen Rahmenbedingungen für einen flächendeckenden Einsatz fehlen noch.
Die Broschüre liefert praxisnahe Empfehlungen für die Planung und Umsetzung einer zukunftsfähigen Ladeinfrastruktur, sei es in Mehr- oder Einfamilienhäusern, in Unternehmen oder für Grundinstallationen.
Zum Beispiel bietet sich gerade bei Unternehmen ein grosses Potential für die intelligente Ladung von Elektroautos: Häufig sind bereits Leistungstarife, PV-Anlagen und andere steuerbare Verbraucher vorhanden, die sich über ein ganzheitliches Energiemanagement effizient steuern und optimieren lassen. Unternehmen können von diesem finanziellen Nutzen profitieren.
Und generell gilt: Bei der Auswahl von Ladestationen und Steuerungssystemen sollte besonderes Augenmerk auf die Kompetenz und Praxiserfahrung der Fachpersonen gelegt werden. Sie sollten über ausreichend Praxiserfahrung mit den Systemen verfügen, um sie optimal aufeinander abzustimmen und zu betreiben.
In Zukunft können Elektrofahrzeuge nicht mehr nur intelligent geladen werden. Immer mehr Modelle werden auch in der Lage sein, Strom ins System zurückzuspeisen. Damit werden E-Fahrzeuge zu rollenden Batteriespeichern und bieten Optimierungspotentiale: im Gebäude, in der Nachbarschaft oder im gesamten Energiesystem.
Bidirektionale E-Autos können grundsätzlich auf zwei Arten eingesetzt werden:
Innerhalb des Gebäudes: Die Batteriekapazität eines modernen E-Autos ist grösser als der tägliche Strombedarf eines typischen Zweipersonenhaushalts. Da nur ein kleiner Teil davon für die durchschnittliche tägliche Fahrt genutzt wird, bleibt ein grosser Teil der Batteriekapazität für die Nutzung im Gebäude.
Im Stromnetz: Elektroautos können künftig ähnlich wie Pumpspeicherkraftwerke genutzt werden. Günstiger, überschüssiger Strom kann gespeichert und als hochwertiger, bedarfsgerechter Spitzenstrom wieder abgegeben werden.
Bevor diese Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden können, müssen jedoch technologische und regulatorische Rahmenbedingungen verbessert werden.
Technische Voraussetzungen
Für die bidirektionale Ladung sind ein E-Auto, eine Ladestation und ein bidirektionales Energiemanagement erforderlich, die miteinander kompatibel sind. Für den Heimbereich sind bereits gute Produkte verfügbar, doch hohe Kosten, fehlende Standards und eingeschränkte Kompatibilität bremsen den Fortschritt.
Künftig sind zuverlässigere Systeme mit standardisierten Schnittstellen erforderlich, die einfach funktionieren und gleichzeitig zuverlässig abrechnen und steuern können.
Regulatorische Rahmenbedingungen
Damit bidirektionales Laden in der Schweiz zum Standard wird, braucht es klare gesetzliche Grundlagen und praxistaugliche Marktregeln. Der diskriminierungsfreie Zugang zu Energie-, Flexibilitäts- und Regelenergiemärkten muss auch für kleine, dezentrale Speicher wie Elektroautos gewährleistet sein. Darüber hinaus sind transparente Vergütungsmechanismen für netzdienliches Verhalten notwendig. Unternehmen wie Netzbetreiber und Energieversorger brauchen Rechtssicherheit, um Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Weitere Informationen zu bidirektionalem Laden finden Sie in der Videoserie «Bidirektionales Laden».
Bildquelle: iStock und Swiss eMobility
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