Ladeinfrastruktur: Die Schweiz im europäischen Vergleich

Die Schweiz gilt bei der E-Mobilität als fortschrittlich. Andere Länder bieten jedoch mehr Ladepunkte pro E-Auto. Was heisst das für den Schweizer Ausbaustand? E-Mobilitätsexperte Christoph Schreyer (BFE) erklärt, was die Statistiken wirklich sagen.

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Vertraut man der Statistik, sind die Niederlande punkto Ladeinfrastruktur nicht zu toppen. 183'000 allgemein zugängliche Ladepunkte gibt es dort. Damit liegen die Niederländerinnen und Niederländer im Vergleich mit 11 anderen europäischen Ländern an der Spitze, gefolgt von Deutschland mit etwa 160'000 und Frankreich mit etwa 156'000 Ladepunkten.

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In Norwegen sind fast 100% der Neuzulassungen elektrisch, gegenüber 31% in der Schweiz.
Christoph Schreyer, Leiter Sektion Energieeffizienter Verkehr bei Bundesamt für Energie

Die Schweiz bietet dagegen 16'000 Ladepunkte (Stand April 2025) auf einer Landesfläche von etwa 41'000 km2. Damit scheint sie gegenüber europäischen Ländern ähnlicher Grösse im Rückstand. Dänemark etwa weist bei etwa 43'000 km2 fast 36'000 Ladepunkte auf. Belgien besitzt fast 77'000 Ladepunkte auf gut 30'000 km2. Auch Italien, das dritte Nachbarland der Schweiz, bewegt sich mit etwa 60’000 Ladepunkten in dieser Grössenordnung. Österreich und Norwegen (vorbildlich in Sachen E-Mobilität) sind mit je 30’000 Ladepunkten etwas näher an der Schweiz.

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Ist die Schweizer Ladeinfrastruktur also gar nicht so weit, wie oft angenommen? Christoph Schreyer, Leiter Sektion Energieeffizienter Verkehr beim Bundesamt für Energie (BFE), rückt die Zahlen ins rechte Licht: Die absolute Anzahl Ladepunkte sagt nämlich noch wenig darüber aus, wie gut eine allgemein zugängliche Ladeinfrastruktur wirklich ist.

«Die Verfügbarkeit in der Schweiz ist sehr hoch»

Eine freie Ladestation zu finden, ist in der Schweiz einfach, sagt E-Mobilitätsexperte Christoph Schreyer, vor allem entlang der Autobahnen. Nachholbedarf sieht er jedoch bei den Lademöglichkeiten in Quartieren und bei Schnell-Ladeparks in Städten.

Der Bund selbst setzt keine Ziele für die allgemein zugängliche Ladeinfrastruktur. Das können die verschiedenen privaten Anbieter besser: Die Roadmap Elektromobilität hat sich das Ziel gesetzt, bis Ende 2025 20'000 allgemein zugängliche Ladestationen zu schaffen. Per Ende Juli 2025 waren es fast 17'000 Ladepunkte. Die aktuellen Zahlen sind auf LadenPunkt abrufbar.

Die Schweiz besitzt entlang der Autobahnen ein dichtes, leistungsfähiges Netz: Hier gibt es heute alle 20-30 km eine Schnell-Ladestation. Das Bundesamt für Strassen ASTRA treibt den Bau von Ladestationen an Rastplätzen (ohne Restaurant) und Raststätten (mit Restaurants und 24h-Tankstellen) voran. Es publiziert den aktuellen Ausbaustand regelmässig. Bis Ende 2025 werden bereits mehr als die Hälfte der 100 Rastplätze mit einer Schnell-Ladeinfrastruktur ausgestattet sein. Ausserdem bauen viele weitere Akteure die Ladeinfrastruktur aus – im ländlichen Raum, aber auch bei Grossverteilern oder Restaurantketten.

Weniger gut sieht es beim Laden zu Hause aus. Miete und Stockwerkeigentum sind bei uns sehr verbreitet. Über 70 % der Bevölkerung wohnt nicht in einem Einfamilienhaus. Um eine Wallbox zu montieren, ist das Einverständnis der Vermieterinnen und Vermieter oder Miteigentümerinnen und -eigentümer nötig. Bei Ladestationen in Einstellhallen von Mehrparteiengebäuden sind Investitionen nötig für eine Basisinstallation und ein Lastmanagement. Kantone wie Zürich oder Luzern unterstützen die Installation der Basisinfrastruktur.

In der blauen Zone fehlt es allerdings häufig an Lademöglichkeiten, vor allem für Elektroautofahrerinnen und -fahrer, die keinen Einstellhallenplatz oder keine eigene Garage haben.

Gute Beispiele finden sich etwa in Basel. Dort wird die Ladeinfrastruktur in der blauen Zone bedarfsgerecht erweitert. In Zürich ist kürzlich ein städtischer Schnell-Ladepark entstanden. Zudem hat nach dem Nationalrat auch der Ständerat im Juni 2025 eine Motion von Jürg Grossen angenommen. Sie beauftragt den Bundesrat, den Zugang zu Ladeinfrastruktur in Mehrparteiengebäuden sicherzustellen. Das ist ein wichtiges Signal, gerade auch an die Immobilienbranche, die hier an einer Schlüsselstelle sitzt.

Auch wenn ich meistens zu Hause lade: Eine freie allgemein zugängliche Ladestation zu finden, war bisher nie ein Problem. Die Verfügbarkeit der Ladeinfrastruktur in der Schweiz ist sehr hoch. Die Auswertung von Swiss eMobility (Abschnitt «Belegung») zeigt, dass selbst zu Spitzenzeiten maximal 15 % der allgemein zugänglichen Ladestationen gleichzeitig besetzt sind. Die Angst ist aktuell also nicht berechtigt, auch wenn man in dünn besiedelten Gebieten bis zur nächsten Ladestation etwas länger fahren muss.

Das hängt von vielen Aspekten ab, zum Beispiel von der Strategie und der Siedlungsstruktur: Bevorzugt ein Land Langsam- oder Schnell-Laden? Laden die Menschen eher zu Hause oder unterwegs?

In Norwegen mit seinen vielen Einfamilienhäusern lädt man oft zu Hause, doch auch die Schnell-Ladeinfrastruktur ist sehr gut ausgebaut. Holland setzt auf vor allem im städtischen Raum auf Langsam-Ladestationen, da Gebäude mit eigenen Tiefgaragen selten sind. Deutschland setzt viele öffentliche Fördergelder ein. Die Schweiz bietet Flächen mit einem Stromanschluss an, etwa entlang von Autobahnen. Das Bundesamt für Strassen startete hierzu verschiedene Projekte, auf die sich Ladestationsbetreiber bewerben konnten. Zudem bauen private Akteure die Ladeinfrastruktur laufend aus. Die Schweiz steht also insgesamt gut da.

Was mir auch auffällt: Man findet teilweise erstaunliche Unterschiede in Statistiken unterschiedlicher Quellen in Bezug auf Ladestationen, Ladestecker oder Ladepunkte. Unser Glossar hilft weiter, sich in der Begriffswelt der E-Mobilität zurechtzufinden.

Tatsächlich teilen sich in Norwegen 70 E-Autos einen Schnell-Ladepunkt und in der Schweiz nur 50. Dennoch ist Norwegen bezüglich E-Mobilität eine Vorzeigenation: Nahezu 100 % der Neuzulassungen von Personenwagen sind dort dieses Jahr (2025) elektrisch, gegenüber 31 % in der Schweiz. Der Anteil an E-Fahrzeugen an der Gesamtflotte ist in Norwegen mit 25-30 % hoch, während es in der Schweiz etwa 7 % sind. Darum wird auch die Schnell-Ladeinfrastruktur intensiver genutzt. Weil die meisten Leute zu Hause laden, sind aber weniger allgemein zugängliche Ladestationen nötig. Eine Schnell-Ladestation für rund 70 E-Fahrzeuge reicht aus.

Die Frage ist: Wie viele Kundinnen und Kunden braucht die Betreiberfirma einer Schnell-Ladestation? Es rechnet sich für sie nicht, wenn sie nur wenige potenzielle Kundinnen und Kunden hat. Die Anfangsinvestitionen sind hoch: Sie braucht einen guten Netzanschluss und allenfalls Pufferbatterien sowie leistungsfähige Ladestationen. 10 E-Autos pro Schnell-Ladestation sind aus meiner Sicht definitiv zu wenig für einen rentablen Betrieb. So gesehen ist ein Wert von 50 Fahrzeugen pro Schnell-Ladestation, wie ihn die Schweiz hat, nicht ungewöhnlich oder problematisch, zumal viele E-Autofahrerinnen und -fahrer zusätzlich zu Hause oder am Arbeitsplatz laden können.

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